Was können Sie tun, wenn es bei Langzeitmietverträgen zu umsatzsteuerlichen Änderungen kommt?
Umsatzsteuerlicher Ausgleichsanspruch
Allgemeiner Anwendungsbereich
Kommt es bei langfristigen Verträgen zu einer Änderung der umsatzsteuerlichen Rechtslage, mit der die Parteien bei Vertragsabschluss nicht gerechnet haben, können gemäß § 30 UStG Ausgleichszahlungen verlangt werden. Diese Ausgleichszahlungen sollen zu einer fairen und ausgewogenen Vertragssituation führen und dazu dienen, keine Partei besser oder schlechter zu stellen.
Mögliche Anwendungsfälle:
- Eine Steuerbefreiung wird eingeführt oder fällt weg
- Es kommt zur Änderung des Umsatzsteuersatzes
- Wechsel zwischen echter und unechter Steuerbefreiung
- Veränderung der Steuerbarkeit/Nichtsteuerbarkeit bestimmter Umsätze
Ausnahmen
Die Möglichkeit einer Ausgleichszahlung ist bei Ausübung einer Option (z.B.: Verzicht auf die umsatzsteuerliche Kleinunternehmerregelung) nur dann möglich, wenn es sich um die erstmalige gesetzliche Ausübungsmöglichkeit dieser Option handelt. Entscheidet sich der Vermieter vorerst gegen eine Umsatzsteuerpflicht und übt die Option zur Umsatzsteuer erst später aus, liegt keine Gesetzesänderung und somit keine Anwendbarkeit von Ausgleichszahlungen vor.
Aktuelles Beispiel: Vermieterwechsel nach Wegfall der Optionsmöglichkeit zur Regelbesteuerung
Nach jüngster Entscheidung des OGH (OGH 20.10.2020, 1 Ob 165/20a), kommt es bei einem Vermieterwechsel nach dem 31.8.2012 – ab diesem Zeitpunkt wurde die Option zur Umsatzsteuer bei Vermietungen durch das 1. Stabilitätsgesetz (StabG) 2012 stark eingeschränkt – zu keiner verpflichtenden Ausgleichszahlung aufgrund der geänderten Optionsmöglichkeit in die Regelbesteuerung:
Durch den Gebäudekauf kam es 2018 zu einem Vermieterwechsel: der neue Eigentümer trat in einen seit 1975 bestehenden Mietvertrag seines Rechtsvorgängers ein. Die Mieterin nutzte die Räumlichkeiten für einen universitären Betrieb und war somit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Optionsmöglichkeit in die Umsatzsteuerpflicht
Da Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (Ausnahme: Vermietung zu Wohnzwecken) grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit sind, hat der ehemalige Vermieter die damals zulässige Optionsmöglichkeit in die Umsatzsteuer genutzt, um weiterhin vorsteuerabzugsberechtigt zu sein.
Mit der Einführung des 1. StabG 2012 wurde das Gesetz jedoch für neu abgeschlossene Mietverträge verändert:
Ein Vermieter kann nur noch dann die Umsatzsteueroption ausüben, wenn der Mieter das Mietobjekt fast ausschließlich dazu nutzt, Umsätze zu erzielen, die den Vorsteuerabzug ermöglichen.
Beispiele hierfür sind:
- Der Mieter ist ein Arzt, der das Mietobjekt als Arztpraxis nutzt → der Vermieter darf nicht mit Umsatzsteuer vermieten. Ihm steht für den Anteil dieses Objektes kein Vorsteuerabzug zu.
- Der Mieter ist Arzt, der das Mietobjekt als Wohnung nutzt → es liegt keine Befreiung vor. Der Vermieter muss – sofern er nicht Kleinunternehmer ist – mit 10% Umsatzsteuer vermieten und kann Vorsteuern geltend machen.
- Der Mieter ist Rechtsanwalt und nutzt das Mietobjekt als Kanzlei → der Vermieter kann die Umsatzsteueroption ausüben und mit 20% Umsatzsteuer vermieten. Ihm steht ein Vorsteuerabzug zu.
Da die Mieterin nicht dazu berechtigt war, Vorsteuer geltend zu machen, durfte der neue Vermieter nach seiner Rechtsmeinung nicht mit Umsatzsteuer vermieten (mittlerweile hat das Bundesfinanzgericht entscheiden, dass es auch beim Kauf von Immobilien wie bei Umgründungen zu keinem Vermieterwechsel in der Umsatzsteuer kommt und daher weiter mit Umsatzsteuer vermietet werden kann; da das Finanzamt aber Amtsrevision eingebracht hat, bleibt die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes abzuwarten). Aufgrund seiner Rechtsmeinung hat der neue Vermieter einen „Pauschalausgleich“ in Höhe der bisherigen Umsatzsteuer vorgeschrieben.
Die Entscheidung: Fehlen des „Überraschungsmoments“
Der OGH hat entschieden, dass im vorliegenden Fall keine Berechtigung eines Ausgleichsanspruchs iSd § 30 UStG vorliegt:
Für die Geltendmachung der Ausgleichszahlung müssen die Parteien von einer neuen gesetzlichen Regelung „überrascht“ werden. Da der neue Vermieter jedoch erst 2018 in die Verträge eingetreten ist und die neue Rechtslage bereits seit 2012 bestanden hat, kann hier laut OGH nicht mehr von einem „Überraschungsmoment“ gesprochen werden. Die „Pauschalabgeltung“ der Umsatzsteuer war also nicht rechtmäßig.
Auf den Punkt gebracht
Wir empfehlen Immobilieninvestoren, vor Kaufvertragsabschluss immer die bestehenden Mietverhältnisse genau zu prüfen, um steuerliche Risiken zu erkennen und die Transaktion zu optimieren. Wir arbeiten bei Ankaufsprüfen mit auf Immobilienrecht spezialisierten Anwälten zusammen.
Was wir für Sie tun können
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Lesen sie auch unseren Artikel zur Umsatzsteuer & Verschmelzung.
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